Ich habe das Tempo lange unterschätzt und dadurch Zeit und wertvolle Fortschritte verschenkt.
In diesem Artikel gebe ich dir die wichtigsten Infos zum Tempo an die Hand. Damit du sofort mehr Kraft und Muskulatur entwickeln kannst und zusätzlich sinnlose Trainingsplateaus vermeidest.
Bei der Trainingsplanung kannst du mit verschiedenen Dingen manipulieren, um unterschiedliche Trainingsziele zu erreichen.
Neben der Satzzahl, den Wiederholungen und Pausenzeiten bietet dir das Tempo eine weitere großartige Möglichkeit dazu.
So sieht es in der Praxis aus: (4 Sätze mit 6-8 Wiederholungen bei einem 3012 Tempo und 180 Sekunden Pause)
Viele Krafttrainer gehen soweit und werten das Tempo als wichtigsten Parameter bei der Trainingsplanung, weil dadurch alles andere beeinflusst wird.
Ich beschäftige mich seit kurzem genauer mit dem Tempo und kann dies jetzt schon unterschreiben.
Das Tempo legt fest wie lange ein Muskel bei einer Wiederholung unter Spannung steht – der Time under Tension (TUT).
Führst du eine Wiederholung schnell aus passiert etwas anderes als wenn du eine Wiederholung langsam ausführst. Das hast du garantiert im Training erlebt oder gespürt, wenn du zum Beispiel einen Liegestütz oder eine Kniebeuge sehr langsam oder sehr schnell ausführst. Und das ist nur das grobe Tempo.
Du kannst das Tempo in vier Phasen unterteilen und damit unterschiedliche Reize setzen. Je nach Trainingsziel und Aufgabe im Training. Bevor ich ins Detail gehe, ist hier der grobe Überblick zur Satz, Wiederholungszahl und Pausenzeiten mit deren geplanten Auswirkungen.
Bei Ziel Maximalkraft: Mehr Sätze, weniger Wiederholungen, mehr Intensität und längere Pausen
Sätze = 5-12
Wiederholungen = 1-5
Pausen = 4-5 Minuten
Intensität = 85-100%
TUT = 0-20 Sekunden
Bei Ziel Muskelaufbau: Weniger Sätze, mehr Wiederholungen, weniger Intensität und kürzere Pausen
Sätze = 3-6
Wiederholungen = 6-20
Pausen = 2-4 Minuten
Intensität = 60-82%
TUT = 20-60
Die Kraftausdauer schenke ich mir, weil du dich dort automatisch verbesserst, wenn du gezielt auf Maximalkraft und Muskelaufbau trainierst. Quasi als Beiprodukt, wobei du natürlich spezifisch darauf trainieren kannst, wenn es dein Sport oder Leidenschaft von dir verlangt.
Kommen wir zu den einzelnen Phasen:
Tempo – Phase 1 (3012) – Exzentrische Kontraktion
In dieser Phase verlängert sich die arbeitende Muskulatur unter Last. Am Beispiel vom Liegestütz ist es die Bewegung in der du dich kontrolliert zum Boden ablässt. Die exzentrische Phase ist die am meist unterschätzte.
Hier bist du am stärksten und kannst den höchsten Widerstand überwinden, weil fast ausschließlich Typ II Muskelfasern (schnellzuckenden & kräftigeren) rekrutiert werden. Das erklärt auch warum du dich im Liegestütz oder Klimmzug ablassen kannst, auch wenn du es noch nicht schaffst dich nach oben zu drücken oder zu ziehen.
Nebenbei verbesserst du deine Beweglichkeit und du kräftigst die Sehnen der Muskulatur. Auch für die Bewegungsqualität und Verletzungsprophylaxe ist die Betonung auf die exzentrische Bewegung sinnvoll.
Tempo – Phase 2 (3012) – Phase in der gedehnten Position
Das ist der Zeitpunkt am Ende der exzentrischen Phase, bevor du die Gegenbewegung einleitest. In der Kniebeuge wäre es der Teil in der du in der tiefen Hocke bist. Bei der Wiederholung ist dies die unvorteilhafteste Postion aufgrund der schlechten Hebel.
Betonst du diese Phase verringerst du den „Stretch-Reflex“ und musst mehr Muskelfasern rekrutieren, um wieder nach oben zu kommen. Du erhöhst die intramuskuläre Spannung und verbesserst somit die Kraftentwicklung. Am bekanntesten ist für diese Vorgehensweise die „Pause-Squat“.
Tempo – Phase 3 (3012) – Konzentrische Kontraktion
In dieser Phase verkürzt sich die arbeitende Muskulatur unter Last. Am Beispiel vom Liegestütz ist es die Bewegung in der du dich vom Boden wegdrückst. Bei der Trainingsplanung siehst du an dieser Stelle statt einer Zahl oft ein X. Das X steht für eine explosive konzentrische Kontraktion.
Tempo – Phase 4 (3012) – Phase in der verkürzten Position
Das ist der Zeitpunkt am Ende der konzentrischen Phase, bevor du die Gegenbewegung einleitest und das Gewicht wieder ablässt. Beim Liegestütz ist es der Teil, wenn du mit gestreckten Armen im Stütz stehst. Betonst du diese Phase aktivierst du mehr Typ II Fasern. Wie eben schon angerissen, sind diese verantwortlich für die Entwicklung von Kraft und Explosivität.
Hier ist noch ein praktisches Beispiel:
Das Tempo für die Kniebeuge war 54X0. Wie du siehst, ist das X ab einem bestimmten Gewicht eher für den Kopf. 🙂
Neben meinem Training ist das Tempo für mich vor allem als Trainer für das Gruppentraining interessant. Ich arbeite oft mit Timed Sets. Das heißt, ich gebe eine Zeit vor in der gearbeitet wird. Da ich im Hinterkopf immer ein Ziel mit jeder Trainingseinheit verfolge, kann ich über das Tempo festlegen, dass jeder Teilnehmer ungefähr die gleiche Wiederholungsanzahl je Satz ausführt. Ich habe Einfluss auf die Time under Tension.
Ein Beispiel eines Zirkel in dem 35 Sekunden Arbeit und 60 Sekunden Pause wechseln, könnte so aussehen:
1a. Goblet Squat 5×5, 51X0
1b. Klimmzug 5×3, 80X2
1c. Kreuzheben 5×6, 4010
1d. Press 5×5, 30X2
Solltest du es gewohnt sein deine Wiederholungen im 1010 Tempo auszuführen, kannst du mit der Betonung auf die einzelnen Phasen Variation in dein Training bringen. Ohne etwas an der Satz- und Wiederholungszahl ändern zu müssen.
Achtsamkeit ist ein weiterer Vorteil vom Tempo. Du führst Übungen bewusster aus. Das hat positive Effekte auf die Bewegungsqualität. Stell dich auch darauf ein, dass du zu Beginn weniger Gewicht verwenden kannst als du gewohnt bist.
In Ordnung. Nimm dir einen Stift und Papier und plane dein nächstes Training. Probiere das Tempo aus. Wähle anhand deiner Trainingsziele das Tempo für die einzelnen Phasen deiner Wiederholungen.
Solltest du dir unsicher sein, lege den Fokus für die nächsten drei Wochen auf die exzentrische Phase. Sie hat den größten Einfluss auf die Kraft und den Muskelaufbau.
Wie effektiv diese Phase ist, wirst du spätestens am Folgetag deines Trainings spüren. 🙂
Hallo Sebastian,
Das Tempo ist sicher ein toller Faktor sein Training zu variieren, vor allem Exentrisch betonte Kniebeugen sind am nächsten Tag nicht lustig :-). Gibt es bestimmte Muster die für bestimmte Muskelgruppen vorteilhafter sind? Oder ist es wie meist im ganzheitlichen Training immer schön abwechseln mit neuen Reizen, nur langsam, nur schnell, beides gemischt in einer Wiederholung wenig bzw. viel Pause dazwischen usw. ?
Beste Grüsse Steffen
Hi Sebastian,
zuerst einmal ein riesiges Danke dafür, dass du dein Wissen so gut aufbereitest zur Verfügung stellst! Ich verfolge deine Beiträge schon eine Weile, teile deine Ansichten und konnte schon einige Inspirationen gewinnen. Einen kleinen Verbesserungsvorschlag habe ich: Eine Datumsangabe würde manchmal helfen die Artikel ein bisschen besser einordnen zu können. Du entwickelst dich ja auch weiter und daran könnte man sehen wie aktuell der Text ist den man gerade liest.
Nun aber zur eigentlichen Frage: Du schlägst beim Kreuzheben eine Zeit von 4010 vor. Sollte die exzentrische Phase wirklich so lang sein? Ich kenne es bisher nur das Gewicht kontrolliert abzulassen, aber das nicht allzulange hinauszuzögern.
Viele Grüße!
Hallo Stefan,
danke für dein Feedback und stimmt, dass mit dem Datum habe ich jetzt schon öfter gehört. Ich stelle es mal ein.
Und ja, die exzentrische Phase sollte so lang sein. Diese Phase hat zig Vorteile, wie ich ja schon im Artikel beschrieben habe. Dazu kommt, dass du beim Tempo variieren sollst. Wie bei den Sätzen und den Wiederholungen. Arbeite mal drei Wochen mit langsamer exzentrischer Phase und teste dann mal normal, so wie du es im Training gewohnt bist.
Beste Grüße,
Sebastian
Hi Steffen,
oh ja. 🙂 Wobei „lustig“ erst mal definiert werden muss. 🙂
Wenn du dir die Verteilung der Muskelfasertypen anschaust, würde ich bei der Muskulatur mit hoher Anzahl an Typ II Muskelfasern (wobei das auch auf den individuellen Körpertypen ankommt) eher auf langsame exzentrische Phase setzen. Aber wie du es bereits schreibst, ist Variation wichtig. Ich variiere spätestens alle 6 Trainingseinheiten.
Beste Grüße und danke für dein Feedback,
Sebastian
Puh, Tempo!
Ich habe vor nicht allzu langer Zeit das Buch Convict Conditioning gelesen, in dem auch das Thema Liegestütz behandelt wird. Vorher habe ich Liegestütz stets sehr schnell ausgeführt und habe ohne
weitere Probleme 2-3 Sets a 20 Stück ausführen können.
Nach CC sollte man die Liegestütze aber langsam und kontrolliert für maximalen Impact ausführen.
Seitdem habe ich folgendes Tempo für mich adaptiert: 31×2
3 Sekunden runter, 1 Sekunde „Kiss the Baby“ Brust auf einem Tennisball ablegen, explosiv nach oben und danach kurze Pause im Stütz.
Das ganze macht man dann 3-4 Sets a 10 Wdh. und hängt direkt im Anschluss noch soviele Klimmzüge wie man mit 40X2 (4 Sekunden runter und 2 Pausieren ist schon hart genug 😉 zu 80% schafft. Pause 3 min – und man hat Oberkörper Druck und Oberkörper Zug schonmal hochwertig abgedeckt.
Wer sein schnelles Tempo durch ein langsameres ersetzt wird sich am nächsten Tag definitiv fragen, wieso er das nicht schon früher gemacht so gemacht hat!
Genauso bei mir, als ich neulich dachte, schön langsame Lunges wären toll mit 40kg im Tempo 50X2.
5×5 / Seite und als Resultat einen erstaunlichen ausgeprägten und langen Muskelkater. Daher meine Empfehlung bei langsamen Tempo
erstmal kleine Brötchen zu backen und schauen, wie der Körper darauf reagiert 😉
Hi Christof,
danke für deinen Kommentar. Und stimmt. Gefühlt gehen die Leistungen erst einmal runter. Subjektiv… Langfristig zahlt sich jede langsame und kontrollierte Wiederholung voll aus.
Beste Grüße,
Sebastian
Hi Sebastian, das Tempo ist in meinem Training auch ein ganz wichtiger Faktor. Da ich aktuell hauptsächlich mit BWE trainiere, ist die Geschwindigkeit eine super Möglichkeit um das Training zu erschweren bzw. zu variieren.
Gruß Jan
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