Mitten im Gewerbegebiet Nohra, zwischen Weimar und Erfurt liegt das DPD Paketzentrum 199. Hinter ratternden Fließbändern und Türmen an Paketen, stehe ich an meinem Scanner und bin im Flow.
„Flow“ – Zustand höchster Konzentration und völliger Versunkenheit in eine Tätigkeit.
Nach dreieinhalb Jahren habe ich die Abläufe des Paketeingangs mental automatisiert. Ich kenne alle Postleitzahlen Thüringens auswendig und meine Finger finden blind jede Nummer auf der Tastatur.
Es war jedoch nicht der Paketeingang, der meine Konzentration zog und warum ich versank.
Trainingsbücher und ausgedruckte Artikel lagen links und rechts verstreut. Podcasts und Interviews, mit Kraft- und Konditionstrainern, die mich faszinierten, liefen auf Dauerschleife.
Jeden Tag…
Stundenlang…
Nach zehn Jahren Training (Pumpen) im Fitnessstudio wusste ich, dass ich nichts wusste. Alles erschien so kompliziert und ich erkannte keine Matrix.
Diese Tage im Jahr 2009, im Depot 199, waren der Neuanfang. Ich kroch so tief in den Kaninchenbau wie ich konnte und sog das Wissen auf, wie ein ausgetrockneter Schwamm.
Als ich damit begann die Prinzipien und Tipps dieser Trainer umzusetzen, erkannte ich sofort, wie einfach Krafttraining wirklich ist.
Ich sah die Matrix.
Wenn du über Krafttraining zu Hause deine körperliche Leistungsfähigkeit verbessern möchtest, musst du weniger machen statt mehr. Die meisten Alltagsathleten scheitern, weil sie zu viel machen, sich damit selbst überfordern oder gar nicht erst anfangen.
In diesem Artikel verrate ich dir drei einfache Trainingsprinzipien und eine Geheimwaffe, mit der du das Ganze im Krafttraining zu Hause umsetzt.
Du lernst die besten Übungen kennen, um schnell deine Beweglichkeit, Stabilität und Kraft zu verbessern und weist, worauf es bei wirkungsvollen und sicheren Trainingseinheiten ankommt.
#1 Beweglichkeit und Stabilität vor Kraft, Explosivität und Ausdauer
Damit du schnell und sicher Leistungsfähigkeit über mehr Kraft, Explosivität und Ausdauer entwickeln kannst, brauchst du bewegliche und stabile Gelenke. Fast jeder Alltagsathlet, der sein Krafttraining zu Hause startet, missachtet diesen Punkt.
Sobald du ohne die nötigen Voraussetzungen Kraft, Explosivität und Ausdauer auf deinen Körper packst, wird er sich verbiegen und winden, um die Aufgabe halbwegs zufriedenstellend zu lösen. Dein Körper wird immer ausführen, was dein Kopf vorgibt.
Das ist weder sicher noch hat es die gewünschten Trainingseffekte. Du könntest auch mit einem Rennwagen ohne funktionsfähige Bremsen auf die Rennstrecke. Alle Kraft und Beschleunigung wird dir nur kurz Freude bereiten. Bis zur ersten Kurve, um genau zu sein.
Die schlechte Nachricht ist, dass jeder durch einen überwiegend einseitigen und oft bewegungsarmen Alltag funktionsunfähige Teile an seinem Fortbewegungsapparat hat.
Die gute Nachricht ist, dass du die Beweglichkeit und Stabilität einfach testen kannst und nur eine Handvoll an „Korrektur“ Übungen benötigst, um dich schnell zu verbessern.
Fürs Krafttraining zu Hause solltest du vier Dinge testen:
- Deine Überkopfbeweglichkeit, mit dem Overhead Reach
- Deine Beweglichkeit auf der Körperrückseite, mit dem Toe Touch
- Deine Unterkörperbeweglichkeit und Stabilität im Rumpf, mit der Deep Squat
- Deine reflexartige Stabilität im gesamten Körper, mit dem 4-Point-Crawl
Hier ist ein komplettes Video, mit allen Tests, inklusive den besten Korrekturübungen. Das Video ist zwar etwas länger, jedoch lohnt es sich. Versprochen (und du kommst über die Zeitstempel an die Stellen, die dich am meisten interessieren).
#2 Integration vor Isolation
Du hast zwei Möglichkeiten deinen Körper zu trainieren. Du kannst komplette Bewegungen trainieren und du kannst einzelne Muskeln oder kleinere Muskelgruppen trainieren.
Integrationstraining ist eine Übung, mit der du viele Gelenke und Muskelgruppen auf einmal einbeziehst und Isolationstraining ist eine Übung, mit der du ein bis maximal zwei Gelenke und einen Muskel oder eine kleine Muskelgruppe einbeziehst.
Beides hat seine Daseinsberechtigung, jedoch macht die Verteilung, in meiner Welt, einen entscheidenden Unterschied. Vor allem dann, wenn du versuchst einen einseitigen Alltag auszugleichen und parallel deine Leistungsfähigkeit verbessern möchtest. Du weißt schon. Damit du dein Leben ohne körperliche Einschränkungen genießen kannst.
In meiner Fitnessstudiozeit war die Verteilung 80/20. 80 Prozent meiner Trainingszeit verbrachte ich mit Isolationstraining und 20 Prozent mit Integrationstraining. Für die Spiegelmuskulatur hat es gereicht und mein Ego wurde durch dein ein oder anderen Pump im Oberarm auch gestreichelt.
Außerdem hatte ich zwei bei drei Stunden Zeit für mein Training, war jung, stand voll im Saft und neben meinem Job auf dem Bau und meiner Band hatte ich keine große Verantwortung für irgendetwas. Da kannst du schon einmal Zeit verbrennen.
Zu meiner DPD Zeit sah das schon ganz anders aus. Eine einjährige Tochter, Umbau der Eigentumswohnung und andere Ziele mit anderen Prioritäten.
Mal davon abgesehen, dass ich auch schon zu meiner Pumperzeit von einer anderen Verteilung profitiert hätte, ist es heute 90/10. 90 Prozent Integrationstraining und 10 Prozent Isolation. Isolation ist die Kirsche und Integration ist die Sahnetorte. Isolation ist der Trumpf, den du ziehen kannst, bei spezifischen Zielen oder spezifischen Einschränkungen.
Die fundamentalen Bewegungsmuster sind das Mittel der Wahl fürs Krafttraining zu Hause und pure Integration. Mit diesen Bewegungsmustern hast du alles, was du für ein wirkungsvolles Krafttraining brauchst.
Das sind sie:
- Rollen (Grundlagen)
- Oberkörper Druck
- Oberkörper Zug
- Unterkörper Druck
- Unterkörper Zug
- Tragen unter Last (erschwerte Fortbewegung)
Vor einigen Jahren hatte ich zu jedem Bewegungsmuster schon einmal ein Video gemacht. Und ich glaube, an dieser Stelle helfen bewegte Bilder mehr als schwarze Buchstaben auf weißem Grund.
Rollen:
Oberkörper Druck:
Oberkörper Zug:
Unterkörper Druck:
Unterkörper Zug:
Tragen unter Last:
Hier ist die einfachste Art und Weise die fundamentalen Bewegungsmuster im Krafttraining zusammenzusetzen, um Zeit zu sparen und um schnell einen leistungsfähigen Körper aufzubauen.
Bilde Paare und nutze eine Korrekturübung zur aktiven Pause:
A1: Rollen
A2: Tragen unter Last
A3: Korrektur
B1: Oberkörper Zug
B2: Unterkörper Druck
B3: Korrektur
C1: Oberkörper Druck
C2: Unterkörper Zug
C3: Korrektur
An dieser Stelle hast du 100 Prozent Integration und könntest mit gutem Gewissen dein Krafttraining beenden.
Falls du jedoch noch Zeit zur Verfügung hast, könntest du hier optional über Isolationsübungen als Assistenz zu den fundamentalen Bewegungsmustern den ein oder anderen Extrareiz setzen und dein Training abrunden. Musst du aber nicht.
Du wirst feststellen, wie kreativ du mit der Zeit die fundamentalen Bewegungsmuster im Training einsetzen wirst und welche coolen Variationsmöglichkeiten sich bieten. Auch wenn es auf den ersten Blick nur eine Handvoll Bewegungsmuster sind.
#3 Die 80 Prozent Regel
Über diese Regel könnte ich in jedem Artikel schreiben, weil sie die größte Wirkung erzielt, um das eigene Ego im Zaum zu halten.
Bist du erst einmal auf den Geschmack gekommen und hast eine ungefähre Ahnung was für ein Potenzial in deinem Körper steckt, bist du gefährdet.
Über die Tipps, die ich dir in diesem Artikel gebe, wirst du übers Krafttraining zu Hause extrem schnell Fortschritte verzeichnen. Das macht Mut auf mehr. Damit dieser Mut nicht im Übermut endet, gibt es die 80 Prozent Regel.
Die 80 Prozent Regel einzuhalten, ist auf dem Papier relativ einfach. Wenn du mit einem Gewicht zehn Wiederholungen ausführen könntest, beendest du den Satz nach der achten Wiederholung. Es ist die eingebaute Sicherheit, um die Bewegungsqualität nicht dem eigenen Ego zu opfern.
Der größte Vorteil dieser Regel ist, dass die Trainingssicherheit enorm ansteigt und der Trainingsreiz bei 80 Prozent immer noch voll ausreicht, um sehr gute Fortschritte zu machen. Der größte Nachteil dieser Regel ist, dass die Gefahr steigt, zu leicht im Training zu gehen.
An dieser Stelle bist du lange genug im Text, um dir etwas zu beichten.
Ich spreche die ganze Zeit von einfach. Die Prinzipien, die ich dir hier erkläre sind einfach. Das Wissen und die Tipps umzusetzen, wird einfach. Schnell Erfolge im Krafttraining zu produzieren, ist einfach.
Einfach hat jedoch überhaupt nichts mit leicht zu tun. Sorry…
An der Beweglichkeit und Stabilität zu arbeiten ist schwer. Korrekturübungen machen deshalb keinen Spaß, weil sie dir glasklar deine Grenzen aufzeigen. Sie sind ein bisschen wie Medizin, die tatsächlich wirkt. Sie schmecken einfach nicht.
Ein Gewicht über den vollen Bewegungsumfang zu bewegen ist schwer. Vor allem, wenn es ein komplexes Bewegungsmuster ist, was du gerade erst lernst oder zum ersten Mal mit Zusatzgewicht ausführst.
Einen Satz zu beenden, obwohl du das Gefühl hast, dass du noch ein paar Wiederholungen im Tank hast, ist super schwer. Besonders dann, wenn du es gewohnt warst aus dem Training zu kriechen statt es energiegeladen und angestachelt zu verlassen.
Zeit für die ultimative Geheimwaffe – Die Kettlebell
Die Kettlebell war der Grund für meinen Flow im Jahr 2009. Sie öffnete mir die Tür zum Kaninchenbau. Eine schwarze Kugel mit Griff, die niemals fürs Krafttraining zu Hause vorgesehen war. Und doch ist sie die ultimative Geheimwaffe dafür.
Kein anderes Trainingsgerät ist so wirkungsvoll, wie die Kettlebell. Und ja, du liest es richtig. Ich nehme sogar in Kauf ein bisschen dogmatisch oder absolut zu klingen.
Sehe ich die Trainingsresultate der letzten Jahre bin ich fest davon überzeugt. Resultate von meinem Training und von allen Menschen, die ich fürs Kettlebell Training begeistern konnte.
Und ich habe viel experimentiert. Links und rechts von der Eisenkugel. Sie ist und bleibt die Nummer Eins.
Fast schon ein bisschen absurd, dass dieses Gewicht, mit dem Waren auf Märkten abgewogen wurden, jeden Trend und jedes Gimmick der modernen Fitnessindustrie schlägt. Jahr für Jahr.
Für das Krafttraining zu Hause ist die Kettlebell deshalb perfekt geeignet, weil du jederzeit trainieren kannst, ohne viel Platz zu benötigen.
Und du kannst alle Prinzipien, die ich dir bisher genannt habe, perfekt abbilden. Ein paar Übungen mit der Kettlebell hast du ja in den Videos auch schon gesehen.
Schauen wir uns noch einmal den Plan von oben an, in Kombination mit der Kettlebell (ich verlinke dir wieder Videos zu den Übungen):
A1: Rollen – Kettlebell Turkish Get Up
A2: Tragen unter Last – Kettlebell Overhead Walk
A3: Korrektur – Kettlebell Goblet Squat Prying
B1: Oberkörper Zug – Kettlebell Row
B2: Unterkörper Druck – Kettlebell Front Squat
B3: Korrektur – Kettlebell Leg Raises
C1: Oberkörper Druck – Kettlebell Clean and Press
C2: Unterkörper Zug – Kettlebell Single Leg Deadlift
C3: Korrektur – Kettlebell Armbar
Der einzige Haken am Training mit der Kettlebell ist, dass es eine nicht unerhebliche Lernkurve gibt. Du brauchst ein wenig Geduld, Muse und Gelassenheit, um die Bewegungen mit der Kettlebell richtig zu lernen und zu verstehen.
Hast du diese Grundlage jedoch gemeistert, ist es wie Fahrrad fahren. Selbst wenn du einmal eine Weile aussetzt, kannst du jederzeit wieder aufsteigen und losfahren.
Der schnellste und beste Weg dorthin ist und bleibt dir einen fähigen Trainer an die Seite zu holen, der dir die wichtigsten Übungen zeigt und beibringt. Lernst du die Übungen auf eigene Faust, solltest du dir auf jeden Fall regelmäßig die Technik abnehmen lassen. Allein schon deshalb, weil das größte Potenzial (an Trainingsoutput und Trainingssicherheit) in den Details liegt.
Such dir dafür Trainer, die ihre Ausbildung bei der RKC oder Strongfirst gemacht haben und du bist in guten Händen (im Zweifel schreib mir in den Kommentaren. Ich bin gut vernetzt und kann dir jemanden empfehlen. Auch die Trainer, die nicht gelistet sind – Die Geheimtipps).
An dieser Stelle kennst du die drei einfachen Trainingsprinzipien und das ultimative Trainingsgerät fürs Krafttraining zu Hause, um schnell deine körperliche Leistungsfähigkeit zu verbessern.
Du hast einen ersten kleinen Eindruck der Matrix.
Das ist alles, was du brauchst, um dein Training zu starten, ohne Gefahr zu laufen zu viel zu machen und am Ende gar nicht anzufangen.
Starte einfach mit den Tests zur Beweglichkeit und Stabilität. Nimm dir ein paar Korrekturübungen aus den Bereichen, in denen du noch Potenzial hast und führe sie einmal am Tag aus.
Parallel dazu nimmst du dir die Übungen aus den fundamentalen Bewegungen, die du jetzt schon ausführen kannst und krabbelst nebenbei schon einmal in den Kaninchenbau zum Kettlebell Training.
Und das alles ohne rote und blaue Pillen.
Geh einfach die ersten Schritte und der Rest ergibt sich automatisch. Viel Spaß auf dieser Reise.